Christian Belz Award für realitätsorientiertes Marketing Management 2021
Das Institut für Marketing und Customer Insight der Universität St.Gallen und die Starrag Group verliehen anlässlich des Fachdialogs für Marketing am 4. Oktober den zweiten „Christian Belz-Award für realitätsorientiertes Marketing Management“ an Anna Selent. Der Preis zeichnet die beste Dissertation aller Marketingprofessoren der Universität St. Gallen der letzten zwei Jahre für relevante, problemorientierte, substanzielle und innovative Ergebnisse aus. Der Preis ist mit SFR. 10’000 dotiert. Starrag fördert damit neben ihrer technologischen Innovation im Bau von Werkzeugmaschinen ebenso neue Formen der Zusammenarbeit mit Kunden, um deren Nutzen ganzheitlich zu steigern.
In ihrer Forschung beschäftigte sich Anna Selent mit den kaufbezogenen digitalen Kundeninteraktionen und deren Knotenpunkten im Umfeld der Industriesoftwarebranche und definierte ‚Digital Interaktion Hubs‘ als innovativen Ansatz für Marketing und Vertrieb in Business-to-Business-Märkten.
Der Software-Kaufprozess ist durch den komplexen mehrstufigen Entscheidungsprozess und eine differenzierte Beteiligung von mehreren Personen (Buyer Persona) gekennzeichnet. Die zunehmende Digitalisierung der Branche, die autonome Informationsbeschaffung der Käufer und der spätere Einstieg der Vertriebsbeauftragten in den Kaufprozess schwächen die Einflussmöglichkeiten und Erfolgschancen des persönlichen Vertriebs. Digitale Kundeninteraktionen gewinnen an Bedeutung. Die Herausforderungen sind für viele Industriemärkte typisch.
Mit steigender Nutzung der Internettechnologien, durch die Pandemie zusätzlich beschleunigt, werden die Kaufprozesse noch länger und komplexer. Die involvierten Entscheidungsträger, die je nach Rolle unterschiedliche Ziele verfolgen, sammeln Informationen unabhängig voneinander und müssen sie mit der Gruppe abgleichen. Wachsender Einfluss von Millennials – digital Natives, die mit Internet und Smartphones aufgewachsen sind – vergrößert den digitalen Anteil dieses Prozesses erheblich. Die digitale Buyers Journey verkompliziert sich immer mehr und ist für den Anbieter immer weniger als Prozess ersichtlich. Die Anbieter schaffen es oft nicht, Käufer mit relevanten Inhalten zu erreichen. Andererseits erleben die Käufer eine Flut an Informationen und finden es schwierig, hochwertige und vertrauenswürdige Informationen für eine fundierte Kaufentscheidung zu finden. Diese Realitäten zwingen Vertriebs- und Marketingteams dazu, die Art und Weise, wie sie mit dem Käufer im Kaufprozess interagieren, anzupassen.
In ihrer Studie erforschte Anna Selent die kaufbezogenen digitalen Interaktionen aus den Perspektiven der relevanten Buyer Persona und des Anbieters und analysierte die Online-Inhalte mehrerer Software-Anbieter. Sie definiert „Digital Interaction Hubs“ als virtuelle Plätze, die eine hohe Dichte von kaufrelevanten Interaktionen aufweisen und die internetbasierte Kommunikations-, Transaktions-, und Interaktionszentren darstellen. Diese ermöglichen dem Anbieter einen strukturierten Zugang, um die Informationsbedürfnisse und Interaktionszüge des Käufers zu adressieren, ihn in seiner Buyer’s Journey zu begleiten und ihn positiv zu beeinflussen.
Buyer Persona entscheiden, wann und wie sie ihre Interaktionen durchführen, die Inhalte konsumieren und mit einem Anbieter interagieren. Eine Abbildung der Buyers Journeys als lineare Abfolge von Interaktionen, wie in einem Drehbuch, und eine daraufhin basierte Gestaltung der Touchpoints ist somit realitätsfern. Deshalb sollten die Anbieter sicherstellen, dass die Digital Interaction Hubs so gestaltet werden, dass sie flexible Buyers Journeys aller relevanten Buyer Persona unterstützen und diese zu weiteren relevanten Hubs navigieren, und zwar unabhängig von der Reihenfolge der einzelnen Interaktionsschritte. Insofern sollten Digital Interaction Hubs eine Art Netzwerk bilden, das von den Käufern in einer strukturierten Suche oder auch in einer gelegentlichen, sporadischen Suche erkundet werden kann, sodass sie ihre Interaktionen bzw. ihre Buyer’s Journeys zeit- und Hub-unabhängig starten oder auch wiederaufnehmen können.
In ihrer Dissertation liefert Frau Selent tiefgehende Analysen zur Buyer Persona sowie zu den neun identifizierten Digital Interaction Hubs, beschreibt ihre Bedeutung und ihren Einsatz im Kaufprozess und ermittelt ihre Gestaltungsmöglichkeiten für die optimale Nutzung im Verkaufsprozess. Solche Digital Interaction Hubs sind ‚your business‘, ‚customers who use it‘, ‚why to buy‘, ‚what to buy‘, ‚explore and watch‘, let’s meet‘, ‚ask the community‘, ‚learn and get startet‘ und ‚try and buy‘.
Eine Fokussierung der Anbieter auf diese neun Digital Interaction Hubs ermöglicht es, die relevanten Buyer Persona während des gesamten Kaufprozesses zu erreichen, ihre wesentlichen Informationsbedürfnisse und Interaktionspräferenzen zu adressieren und somit aktiv an der Kaufentscheidung mitzuwirken – und zwar unabhängig davon, wann und wie die Buyer Journeys verlaufen.
Quelle: Selent, Anna: Digitalisierung von Kundeninteraktionen – ‚Digital Interaction Hubs‘ im Vertrieb von Industriesoftware, Dissertation: St. Gallen 2019.
Weitere Auskünfte:
Prof. em. Dr. Christian Belz, Institut für Marketing und Customer Insight der Universität St.Gallen, christian.belz@unisg.ch
Dr. Christian Walti (CEO), Starrag Group, media@starrag.com