In volkswirtschaftlichen Lehrbüchern wird der Preis (P) immer auf der Y-Achse dargestellt – er ist also eine abhängige Variable, die sich aufgrund der im Markt angebotenen Menge (Q) ergibt. Auch wenn dies bezogen auf Gesamtmarktbetrachtungen sinnvoll sein mag, so ist es für das einzelne Unternehmen betriebswirtschaftlicher Unfug. Der Preis muss hier vielmehr eine aktive Gestaltungsvariable sein, den das anbietende Unternehmen selbst festsetzen kann und sollte. Diese Entscheidung sowie der von den Kunden wahrgenommene Wert des Gesamtangebots bestimmen die Menge, die ein Unternehmen im Markt absetzen kann.
Benson P. Shapiro formulierte es vor langer Zeit an der Harvard Business School sehr treffend als Handlungsaufforderung für ein professionelles Management: „Be a price maker, not a price taker.“ Es dürfe nicht der Fall sein, dass verantwortliche Manager den Preis senken, nur um Marktanteile oder einen imageträchtigen Kunden zu gewinnen. Ist doch der Preis die Gegenleistung des Abnehmers für die a anderen drei wertstiftenden Marketinginstrumente: das Produkt (funktionaler Wert), die Kommunikation (emotionaler Wert) und die Distribution (Verfügbarkeit). Shapiro definierte zahlreiche Anforderungen, um ein „Price Maker“ zu werden, insbesondere: 1) Biete einen echten Mehrwert für Kunden an, der auf differenzierten Leistungen beruht. 2) Kundensegmentierung: Fokussiere auf jene Kunden, die den Mehrwert auch tatsächlich honorieren. 3) Keep it simple: Vermeide es, mit komplexen und verwirrenden Preisstrukturen nicht zum grössten eigenen Konkurrenten zu werden. 4) Value-Pricing: Knüpfe den Preis an die Werttreiber, nicht an das Produkt. 5) Sei verlässlich und konsequent – auch wenn es bedeutet, einmal „Nein“ sagen zu müssen.
Diese Grundsätze sind auch heute nach wie vor gültig. In der vorliegenden Ausgabe der Marketing Review St. Gallen zeigen die Autoren aus Wissenschaft und Praxis auf, wie es gelingt, aus dem „Stiefkind“ im Marketing, dem Pricing, jenes Marketinginstrument zu entwickeln, dass den Gewinn des Unternehmens am nachhaltigsten positiv beeinflusst. Fazit: Es geht um aktives Preismanagement.
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Prof. Dr. Sven Reinecke