Der Schutz von personenbezogenen Daten oder auch “Data Privacy” ist einer der meistdiskutierten und am wenigsten konzeptionell umgesetzten Themenbereiche im Marketing. Fragt man Führungskräfte danach, welche Konsequenzen sie in ihrem Unternehmen aus der Einführung der Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union (DSGVO) gezogen haben, dominiert vielfach noch eine eher passive Herangehensweise. Rechtliche Anforderungen werden erfüllt, aber mehr nicht. Die Gründe für ein verschärftes Datenschutzrecht mögen einleuchtend sein, doch die Umsetzung der neuen Standards widerspricht den Praktiken des Umgangs mit personenbezogenen Daten in Unternehmen (“The user is the product”). Daher nehmen Führungskräfte die Anforderungen eher als störend wahr und verkennen dabei, dass es keine Alternative zur Umsetzung der Verordnungen gibt.
Gegenüber dieser eher Compliance-orientierten Perspektive entwickelt sich in Unternehmen aktuell eine erweiterte Perspektive. Wenngleich die rechtlichen Rahmenbedingungen eher Begrenzungen bedeuten, ergibt sich aber auch die Chance, das Thema der Privatsphäre des Kunden als Vorteil für die eigene Markt- und Wettbewerbsposition zu verstehen. Gelingt es einem Unternehmen, sich unter den neuen Bedingungen als attraktiver Partner zu beweisen, so die Lesart, dann lassen sich durch die hohen (rechtlichen bzw. datentechnischen) Hürden Wechselbarrieren errichten, die einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil nicht unähnlich sind.
Die Forschung näherte sich dem Thema Datenschutz bisher primär aus einer verhaltensorientierten Perspektive und stellt vielfach die Widersprüchlichkeit des Kunden zwischen Haltung und Handlung in den Mittelpunkt. Erst in der letzten Zeit wird die Thematik auch aus Unternehmenssicht (und ausserhalb der juristischen Forschung) aufgegriffen. Dabei sind es vor allem einzelne Praxisfälle, die bewegen. Neben den eher negativen Bezügen bei Google, Amazon und Facebook wird vor allem immer wieder Apple als Beispiel für einen positiven und kundenorientierten Zugang im Sinne eines konzeptionellen Handlungsansatzes angesehen. Ob und wie aber die verschiedenen Unternehmenszugänge Früchte tragen, ist heute noch kaum zu bewerten.
Dass Unternehmen und ihre Kundschaft sich in den kommenden Jahren stärker mit der Datensammlung, -nutzung und -speicherung aus Kundensicht beschäftigen müssen, liegt auf der Hand. Wir wollen mit der aktuellen Ausgabe der Marketing Review St. Gallen diesen wichtigen Schritt begleiten und laden unsere Leserinnen und Leser ein, sich dem Thema zu öffnen und die Beiträge dieser Ausgabe als Einladung anzusehen, dass es Vorteile hat, eine kundenzentrierte Sicht auf den Datenschutz zuzulassen.
Prof. Dr. Marcus Schögel